Shakespeare Jahrbuch 2018
Shakespeare und die Reformation
Im ‘Lutherjahr’ hat sich auch die Shakespeare-Gesellschaft mit der Reformation beschäftigt. Obwohl Shakespeare konfessionelle Fragen nicht direkt thematisiert, zeigen sich in seinen Dramen – ebenso wie in denen seiner Zeitgenossen – Einflüsse der religiösen und (kultur)politischen Debatten im Zuge der Konfessionalisierung. Janet Clare betrachtet die Theaterzensur vor dem Hintergrund der Reformation und diskutiert an einer Reihe von Dramen, wie theologische Konzepte als Instrumente staatlicher Ordnungssicherung neu verhandelt werden. Cornel Zwierlein spürt in den Dramen Shakespeares drei Motivkomplexen nach, die in der politischen Theorie im nachreformatorischen England eine zentrale Rolle spielten: dem Tyrannenmord, dem crimen-laesae-majestatis-Delikt sowie der Frage nach der Natur von Herrschaft. Um das theologische Prinzip der Hoffnung geht es in Stephan Laqués Aufsatz, der sich mit Hamlet, King Lear und The Tempest beschäftigt. In ihrer Lektüre der Gerichtsszenen in King Lear erörtert Elizabeth Hodgson die Bezüge zu apokalyptischen Vorstellungen einerseits, zur zeitgenössischen Auseinandersetzung um die affektive Wirkung des Theaters andererseits. Richard Hillman identifiziert mit Henri de Barrans Reformationsallegorie Tragiqve comedie francoise de l’homme justifié par Foy (1554) einen Intertext für The Merchant of Venice, über den die in Shakespeares Stück verhandelte Glaubensfrage – die Opposition zwischen Altem und Neuem Testament – stärker akzentuiert wird. Am Beispiel von Macbeth problematisiert Anne Enderwitz das Verhältnis von Ökonomie, Politik und Geschlechterverhältnissen im Zeitalter der Reformation. Isabel Karremann liest Antony and Cleopatra vor dem Hintergrund eines grundlegenden Wandels des Totengedenkens und der politischen Instrumentalisierung von Bestattungsritualen im protestantischen England. Mit Lieke Stellings Beitrag werden schließlich – am Beispiel von Tarltons Newes Out of Purgatory – die humorvollen Aspekte der religiösen Debatten im England des späten 16. Jahrhunderts in den Blick genommen.
Sabine Schülting