Shakespeare Jahrbuch 2011
SHAKESPEARE UND DIE STADT
“Thou hast all things in thee to make thee fairest, and all things in thee to make thee foulest” – so sah Thomas Dekker das London um 1600, als eine faszinierend dynamische, aber zutiefst widersprüchliche Metropole. Die Beiträger und Beiträgerinnen der hier versammelten Aufsätze nehmen solche vielschichtigen Stadt-Ansichten in den Blick und konzentrieren sich insbesondere auf das Verhältnis zwischen urbanem Raum und dem Shakespeare Theater. Der einleitende Beitrag von Andreas Mahler widmet sich dem frühneuzeitlichen London als “kulturellem Generator”, der aus der Wechselwirkung zwischen einer spezifischen Raumordnung und der besonderen personalen Konstellation an den Inns of Court entstand. Enno Ruge revidiert verbreitete Annahmen zur kulturellen Topographie Londons und stellt heraus, daß die südlichen Vorstädte weniger eine anarchische Peripherie der City darstellten als vielmehr Bühnen, auf denen widerstreitende Interessen und Abhängigkeiten ausgespielt wurden – nicht zuletzt die zwischen Puritanern und Theatern. Während Adam Hansen am Beispiel von Timon of Athens die Aufmerksamkeit auf die marginalisierten Stadtbewohner lenkt und ihre Bedeutung für die frühneuzeitliche Stadt diskutiert, konzentriert sich Anne-Julia Zwierlein auf die Geschlechterordnungen in den city plays und ihre weit reichenden gesellschaftlichen und meta-theatralen Implikationen. Die Frage nach dem Raum stellt sich auch für die Geschichte der Theater, wie Sarah Dustagheer argumentiert. Sie versteht das Blackfriars Theatre als ‘Resonanzraum’, in den sich der Stil früherer Schauspieltruppen und dramatische Traditionen nachhaltig eingeschrieben haben. Ton Hoenselaars beschäftigt sich schließlich mit der Präsenz Shakespeares in der jüngeren Stadtgeschichte und diskutiert die kulturellen und politischen Implikationen der im Jahre 1888 errichteten Shakespeare-Statue in Paris.
Sabine Schülting
Inhalt
Vorträge und Aufsätze
SHAKESPEARE UND DIE STADT
- Urbane Raumpraxis und kulturelle Explosion – Netzwerkkonstellationen im frühneuzeitlichen London. Von Andreas Mahler
‘The Baddest Neighbourhood’? Shakespeare im Dickicht der Vorstädte. Von Enno Ruge - London and its ‘Others’ in Timon of Athens. By Adam Hansen
“No house but mine to make your scene?” Urbane Schwellenräume, Diagnosen des Stadtkörpers und symbolische Geschlechterordnungen in frühneuzeitlichen city plays. Von Anne-Julia Zwierlein - “Our Scene is London”: The Alchemist and Urban Underworlds at the Blackfriars Playhouse. By Sarah Dustagheer
The Pierre Fournier Shakespeare Statue in the City of Paris, 1888-1941: Reflections on Commemoration, Cosmopolitanism, and Urban Development during the Third Republic. By Ton Hoenselaars
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- The State of Hamlet: Einige Anmerkungen zur ersten Staffel der Fernsehserie Slings and Arrows. Von Stefanie Diekmann
- Romio und Julieta – A Case Study of an Early German Shakespeare Adaptation. By Kareen Klein
- “Eyed awry” – Richard II and the Shapes of History. By Lukas Lammers
Miszelle
- M.O.A.I. in Twelfth Night and Histrio-Mastix. By Katrin Hoffmann-Walbeck
THEATERSCHAU: Shakespeare auf deutschsprachigen Bühnen 2009/2010 (Gesamtredaktion: Norbert Greiner)
- Narzißmus und die ganz große Liebe – Shakespeare auf norddeutschen Bühnen (Anke Kell, Kirsten Sandrock, Felix Sprang, Nina Stedman)
- Tragedy light oder die Angst vor der Angst – Berichte aus Berlin (Ekkehart Krippendorff, Maik Hamburger)
- Comparisons are odorous – oder doch nicht? Viele Vergleichsmöglichkeiten bei Shakespeare an Rhein und Ruhr (Claus Clemens)
- Blutige Küchenschlachten und nebulöse Narrenträume im deutschen Südwesten. (Bernd Hirsch)
- Zombie-Spuk am Starnberger See und ein Maskenball für Mafiosi – Shakespeare in München (Eva Wechselberger, Ingeborg Boltz)
- “Was ist denn hier eigentlich los?” – Shakespeare auf Österreichs Bühnen (Ludwig Schnauder)
Eindampfen, destillieren, entschlacken – oder lieber nicht? Richard III. in Basel, Was ihr wollt und Volpone in Zürich (Markus Marti)
Verzeichnis der Shakespeare-Inszenierungen, Spielzeit 2009/2010 (Stefanie Watzka)
BÜCHERSCHAU (Gesamtredaktion: Tobias Döring und Joachim Frenk)
Geliebte, Gaben und Gelehrte: Die Sonette feiern global Jubiläum
William Shakespeare’s Sonnets for the First Time Globally Reprinted: A Quatercentenary Anthology (with a DVD), ed. by M. Pfister and J. Gutsch; The Sonnets of Shakespeare: Edited from the Quarto of 1609, ed. by T. G. Tucker; P. Cheney ed., The Cambridge Companion to Shakespeare’s Poetry (W. Brönnimann)
Männer, die die Welt bedeuten: Frühneuzeitliche Schauspieltruppen
H. Ostovich / H. Schott / A. Griffin, eds., Locating the Queen’s Men, 1583–1603; T. G. Schoone-Jongen, Shakespeare’s Companies: William Shakespeare’s Early Career and the Acting Companies, 1577–1594; A. Gurr, Shakespeare’s Opposites: The Admiral’s Company, 1594–1625; E. Lamb, Performing Childhood in the Early Modern Theatre: The Children’s Playing Companies, 1599–1613 (A. Stock)
Menschen, Werte, Positionen: Politik der Mythen und Mythen des Politischen
D. Armitage / C. Condren / A. Fitzmaurice eds., Shakespeare and Early Modern Political Thought; G. Burgess, British Political Thought, 1500–1660: The Politics of the Post-Reformation; A. Kitch, Political Economy and the States of Literature in Early Modern England (F. Sprang); S. Hamrick, The Catholic Imaginary and the Cults of Elizabeth, 1558–1582 (R. Targoff); H. Hackett, Shakespeare and Elizabeth: The Meeting of Two Myths (E. Bronfen); E. Langley, Narcissism and Suicide in Shakespeare and his Contemporaries (S. Laqué); M. Beyer, “A beggar’s book outworths a noble’s blood”: Werte und Wertekonflikte in Shakespeares Dramen (B. Neumeier)
Amüsieren geht über Studieren: Lachen, Fluchen und Rhetorik
R. Bowers, Radical Comedy in Early Modern England: Contexts, Cultures, Performances; W. W. Demastes, Comedy Matters: From Shakespeare to Stoppard; K. Ryan, Shakespeare’s Comedies; E. Krippendorff, Shakespeares Komödien: Spiele aus dem Reich der Freiheit (P. Franssen); B. Quiring, Shakespeares Fluch: Die Aporien ritueller Exklusion im Königsdrama der englischen Renaissance (R. Lüdeke); S. D. Keller, The Development of Shakespeare’s Rhetoric: A Study of Nine Plays (H. F. Plett)
Wenn der Barde zweimal klingelt: Stadtentwürfe, Briefe, Boten
D. Grantley, London in Early Modern English Drama: Representing the Built Environment; D. J. Hopkins, City / Stage / Globe: Performance and Space in Shakespeare’s London (J. Frenk); Alan Stewart, Shakespeare’s Letters (S. Baumbach); B. Charry / G. Shahani eds., Emissaries in Early Modern Literature and Culture: Mediation, Transmission, Traffic, 1550–1700 (D. Fuchs)
Glotzt nicht so pedantisch! Blick, Regie und Körperinszenierungen
S. Clark, Vanities of the Eye: Vision in Early Modern European Culture; R. Meek, Narrating the Visual in Shakespeare (R. Brosch); D. Kennedy, The Spectator and the Spectacle: Audiences in Modernity and Postmodernity; J. R. Brown ed., The Routledge Companion to Directors’ Shakespeare; A. Noble, How to do Shakespeare (C. Balme); E. Klett, Cross-Gender Shakespeare and English National Identity: Wearing the Codpiece (C. Wald)
BERICHTE
- Tätigkeitsbericht des Präsidenten (Frühjahr 2010). Von Andreas Höfele
- The Poet and the City – London um 1600 als kulturelle Metropole.
- Shakespeare-Tage in Bochum, 23.–25. April 2010. Von Dieter Fuchs
- “Kleine Herbsttagung” in Zürich, 26.-27. November 2010. Von Dieter Fuchs
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- Register
- Über die Autorinnen und Autoren der Aufsätze und Vorträge
- Martin-Lehnert-Preis