Shakespeare-Jahrbuch 140 (2004)
Theater der Leidenschaften
Emotionalität und Leidenschaftlichkeit sind wieder aktuell, auch in der Shakespeare-Forschung. In diesem Trend kann eine Abwehrreaktion gegenüber der Kopflastigkeit und Abstraktionsfreude vorgängiger Literaturwissenschaft vermutet werden. Von solcher Annahme aus erörtert I. Habermann die heutige Bedeutung eines Theaters der Leidenschaften. J. Ph. Reemtsma liest Macbeth ebenfalls gegenwartsbezogen als Drama, das die unheilvolle psychische Dynamik einer innigen Partnerbeziehung vorführt. Die Beiträge von W. von Koppenfels und V. Lobsien hingegen untersuchen Shakespeares leidenschaftliche Helden und Heldinnen im Kontext der Physiologie, Philosophie, Ethik und Poetik der Frühen Neuzeit. Mit Shakespeares Charakteren als Belegmaterial für die Erforschung von Gefühlen vor allem im 19. Jahrhundert beschäftigt sich G. Stedman. S. Zimmerman begründet Hamlets extreme Emotionalität in seiner Grenzgängerschaft zwischen Leben und Tod; E. Bronfen vergleicht Hamlets neurotische Performanz von Leidenschaft kontrastiv mit der Leidenschaftlichkeit von Ophelia. Das bemerkenswerte Dokument einer leidenschaftlichen Identifikation mit König Claudius wird von K. Ashizu vorgestellt. Die ‘Theaterschau’ schließlich diskutiert kritisch die Konzeptionssturheit zeitgenössischer Inszenierungen.